Lucrum bringt mich dazu, Dinge zu tun, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Vergangenen Freitag fand meine erste Lesung statt. Ganz besonders für mich: Für die Lesung bin ich in meine Heimat zurückgekehrt, in der mein Buch größtenteils entstanden ist.
Bollendorf, 28. Oktober 2016. Es ist 19:00 Uhr. Ca zwanzig Personen trudeln tröpfchenweise im Saal des Abteihofes ein. Sie nehmen Platz und warten geduldig auf den Beginn der Veranstaltung, den Ortsbürgermeister Rolf Stump sogleich mit ein paar begrüßenden Worten einleitet.
Ich sitze auf meinem Platz. Meine Unterlagen liegen vor mir, neben mir stapeln sich Lucrum-Ausgaben und eigens gemalte Leinwände mit dem charakteristischen Motiv des Covers. Ich trage ein Outfit, das durch die Kontrolle meiner lieben Arbeitskollegin gegangen ist, die 400 km entfernt an mich denkt. Danke Sonja <3 An meiner Bluse befindet sich eine kleine Brosche. Auch sie ziert das Cover meines Buches. In liebevoller Handarbeit hat meine Freundin Kim, die ich dank Lucrum kennen gelernt habe, sie und viele weitere hergestellt. Alles ist perfekt. Es kann losgehen.
Ich stelle mich kurz vor, erzähle, wie ich zum Schreiben kam, nämlich dass ich schon als Kind gern las und wie das irgendwann nicht mehr reichte. Ich beschreibe den Verlauf des Abends und den Rahmen meines Buches. Dann fange ich an, zu lesen. Es ist jene Sequenz, in der der Turm von St. Dunstan-in-the-East zerstört wird, über den ich in der Uni ein Referat hielt, den ich in London zweimal besichtigte, den Christopher Wren voller Stolz im neogotischen Stil errichtete und prophezeite, er würde ewig stehen. Er hatte Unrecht, denn im Jahr 2050 fällt er den Schattenbrüdern zum Opfer. Liam, der beste Freund meiner Protagonistin, verschwindet spurlos. Ein Abenteuer beginnt, das Emma mit dem frechen Formwandler Timotheus und dem mutigen Lichtritter Noah erlebt, den sie eigentlich töten sollte. Auf ihrem Weg muss sie sich die Frage stellen, wo ihr Platz in der Welt ist. Sie muss über sich hinauswachsen und ihre Vergangenheit hinter sich lassen.
Ob Emma stark genug ist, lasse ich offen. Ich möchte nicht zu viel verraten und meiner Geschichte das Ende vorwegnehmen. Ich beschließe die Lesung mit jenem Moment, da Emma die Loge des Lichts zum ersten Mal in ihrem Leben sieht.
Die Wiese, die sich vor ihnen erstreckte, war sattgrün. Zahlreiche Wildblumen mit roten, gelben oder orangen Blüten waren in das Gras gebettet. Gegen die Farben dieses Ortes kam Emma sich selbst grau und farblos vor. Außerdem starrte sie vor Dreck und stank vermutlich obendrein.
»Was ist das für ein Ort? Wir müssten uns etliche Meter unter der Erde befinden und trotzdem ist alles hier so bunt…«
»Sag bloß, du bist beeindruckt?«, fragte Noah und seine Lippen formten ein breites Grinsen.
»Eigentlich nicht«, log Emma. Aus irgendeinem Grund wollte sie vor Noah nicht zugeben, wie sehr ihr dieser Ort gefiel. Stattdessen betrachtete sie die kunstvoll beschnittenen Büsche, die den Weg säumten. Der Kies knirschte unter ihren Sohlen. Sie schritten unter zwei sich gegenüberstehenden Einhörnern hindurch, deren Hörner sich hoch über Emmas Kopf berührten. Ein Satyr räkelte sich auf seinem Thron aus Blättern. Sein Hinterkopf schien ein wenig löchrig und Emma glaubte zu wissen, was ihm zugestoßen war: Noah und Logan, die mit Pfeil und Bogen bewaffnet über die Ländereien gezogen waren.
Feen und Nixen tanzten raschelnd im Wind, der Emma durch seinen würzigen und exotischen Geruch betörte. Sie versuchte, so viel wie möglich von diesen neuen Eindrücken in sich aufzunehmen. Als sie die Skulpturen aus Blattwerk passierten, tauchte auf der Kuppe des sanft ansteigenden Hanges eine schneeweiße Burg auf, die majestätisch über das Gelände ragte. Sie sah aus, als hätte jemand wahllos irgendwelche Gebäudeteile in- und aufeinander gesteckt, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Zahlreiche Zinnen erhoben sich in den Himmel. Fahnen wehten auf dem obersten Turm und tanzten im Wind. Runde und eckige, große und kleine Fenster waren überall in die Fassade der Burg eingelassen. Manche Fenster waren geöffnet, manche spiegelten das Sonnenlicht. Feine Rauchsäulen kringelten sich aus den Schornsteinen und entschwanden gen Himmel.
Ich lese noch einen letzten Abschnitt, dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und leite in die Fragerunde ein. Ich bin ein wenig aufgeregt. Nicht, weil ich fürchte, dass ich die Fragen der Gäste nicht beantworten könnte, sondern weil ich fürchte, dass sie überhaupt keine haben. Meine Aufgabe ist es, sie ein wenig zu beschäftigen, ehe der Umtrunk beginnt. Im Hintergrund bereitet mein Team Lucrum Sekt und Snacks vor.
Doch dann werde ich erlöst und mit Fragen überschüttet.
Gibt es Parallelen zwischen Emma und Deiner eigenen Person? – Naja, wir sind beide chaotisch.
Was bedeutet Lucrum? – Der Gewinn.
Wird es mehrere Fortsetzungen geben? – Mitte Dezember kommt Lucrums Fortsetzung heraus. Damit endet die Geschichte, aber andere werden folgen. Ich habe viele Ideen.
Wie vereinbarst Du das Schreiben mit deinem Alltag? – Nun, das ist ein Drahtseilakt. Generell nutze ich meinen freien Tag zum Schreiben.
Die Diskussion ist spannend und ich bin überrascht, wie viel Interesse mir die Gäste mit ihren kreativen Fragen entgegenbringen. Dann gehen wir zum gemütlichen Teil des Abends über, wir stoßen zusammen an, die Gäste trinken, naschen und reden, während ich Bücher signiere und die mitgebrachten Lesezeichen verschenke. Am Anfang zittert mir ein bisschen die Hand. Ich habe Angst, mich zu verschreiben. Ich schreibe ungern, wenn mir jemand dabei über die Schulter guckt. Doch schon bald gewöhne ich mich daran und freue mich über jede weitere Anfrage. Ich unterhalte mich mit Freunden und Fremden, es ist ein spannender Abend und ich merke, wie sehr ich es genieße, über mein Buch sprechen zu können. Es ist mein Baby und hier und heute sind die Menschen da, um es auf der Welt zu begrüßen. Das was ich tue, ist das, was ich will. Das wird mir in diesem Moment bewusst. Das Schreiben ist mehr als am Laptop sitzen und in die Tasten hauen. Das Schreiben bringt Menschen zusammen und lässt Träume wahr werden.
Ganz herzlich bedanken für diesen umwerfenden Abend möchte ich mich bei Bürgermeister Rolf Stump, bei dem Verkehrsverein Bollendorf und Felsenland-Südeifel, die mir den Saal des Abteihofes zur Verfügung gestellt haben.
Den ganzen Abend war die talentierte Fotografin Ramona Lübeck/ Monaments Fotografie an meiner Seite und hat meine erste Lesung bildtechnisch festgehalten. Fotos werden in Kürze folgen. Vielen, vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit!
Außerdem bedanke ich mich bei Team Lucrum, das mir so tatkräftig unter die Arme gegriffen und mich in Momenten unterstützt hat, in denen ich alleine nicht mehr weiterkam. Ohne Euch hätte ich all das nicht geschafft. Danke, dass Ihr meinen Traum mit mir lebt!
Last but not least: DANKE an alle, die gekommen sind, um mich zu unterstützen oder weil sie neugierig waren. Ihr erweckt Lucrum zum Leben!